Statement 25.09.2024
Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer
Seit 1991 rückt am 25. September, dem „Tag der Zahngesundheit“, die Mundgesundheit in den Fokus der Öffentlichkeit. Zu verdanken ist dies dem Engagement vieler Institutionen aus dem Gesundheitswesen und der Gesundheitspolitik deren Ziel es ist, die Mundgesundheit bevölkerungsweit zu verbessern. Die langjährige, beharrliche Zusammenarbeit all dieser Akteure leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die Entwicklung der Zahn- und Mundgesundheit in Deutschland unter Fachleuten als einzigartige Erfolgsgeschichte der Prävention gilt.
Schon seit langem begleiten wir den Paradigmenwechsel von „Vorsorgen statt Versorgen“. Belegt wird dies besonders eindrucksvoll durch Zahlen der Oralepidemiologie zum Kariesrückgang in der Bevölkerung (DMS V). So konnte in den vergangenen Jahrzehnten die Karieslast in der deutschen Bevölkerung über alle Altersgruppen und sozialen Schichten hinweg reduziert werden. Besonders erfreulich und hervorzuheben ist die Mundgesundheit der Kinder und Jugendlichen; in der Altersgruppe der 12-Jährigen nimmt Deutschland im weltweiten Vergleich einen der Spitzenplätze ein.
Dass jedoch nicht alle Altersgruppen und sozialen Schichten von den Erfolgen gleichermaßen profitieren konnten, zeigen die Erkrankungsraten zur frühkindlichen Karies, die mit einer Prävalenz von bis zu 40 % nach wie vor auf einem hohen Niveau stagniert, und teilweise sogar ansteigt.
Daher ist es nur folgerichtig, dass der diesjährige Tag der Zahngesundheit unter dem Motto „Gesund beginnt im Mund – von Anfang an!“ steht, und die Mundgesundheit von Schwangeren sowie von Kindern in den ersten drei Lebensjahren in den Blickpunkt nimmt.Schwangere werden häufig durch hormonell bedingte Veränderungen in der Mundhöhle, Anpassungen der Immunabwehr und durch veränderte Ernährungsgewohnheiten für das Thema Mundgesundheit sensibilisiert, allerdings wird sie während der Schwangerschaft von Frauen auch zuweilen vernachlässigt. Zusätzlich können Missverständnisse und persönliche Überzeugungen als Faktoren hinzukommen. Manche Frauen glauben, dass die Schwangerschaft per se eine nachteilige Wirkung auf die Zähne und das Zahnfleisch hat. Werdende Mütter begegnen daher nicht selten dem Satz, dass „jedes Kind einen Zahn kostet“.
Doch obwohl das Risiko für gingivale und parodontale Erkrankungen sowie für Erkrankungen des Zahnhartgewebes im Verlauf einer Schwangerschaft erhöht sind und bestehende, unbehandelte Entzündungen der Mundhöhle das Risiko von Schwangerschaftskomplikationen wie z.B. Frühgeburten erhöhen, muss sich keine werdende Mutter mehr vor Zahnverlust fürchten, denn auch während der Schwangerschaft werden zahnmedizinisch die klassischen Maßnahmen der Karies- und Parodontalprophylaxe empfohlen: eine gesunde Ernährung, eine sorgfältige Mundhygiene, eine regelmäßige Fluoridanwendung und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen.
Rund um den diesjährigen Tag der Zahngesundheit möchten wir die Mundgesundheitskompetenz werdender Mütter stärken, denn erfahrungsgemäß ist der Aufklärungsbedarf und -wunsch bezüglich der eigenen, aber auch der Mundgesundheit des Nachwuchses, groß. Nach wie vor bestehen Unsicherheiten, welche präventiven Maßnahmen oder zahnärztlichen Behandlungen während der Schwangerschaft durchgeführt werden können und wie häufig Zahnarztbesuche wahrgenommen werden sollten.
Daher ist es wichtig, dass der Tag der Zahngesundheit sich dieser Fragen widmet und werdende Eltern mit Informationen ausstattet, wie man auch dem Baby einen möglichst mundgesunden Start ins Leben bereitet. Werdende Eltern möglichst früh im Laufe der Schwangerschaft mit Mundgesundheitsbotschaften zu erreichen, ist wichtig, denn schließlich sind es in der Regel die Eltern, die die ersten Mundhygienemaßnahmen ausführen, das Zähneputzen als tägliche Routine in den Alltag ihres Sprösslings etablieren und die Ernährung entscheidend mitbestimmen. Hinzu kommt, dass Kleinkinder, anders als ältere Kinder, durch gruppenprophylaktische Maßnahmen noch nicht erreicht werden. Daher sind die Eltern gefordert, die den Grundstein für eine gute Mundgesundheit - und damit, wie wir heute wissen - die Basis für eine gesunde körperliche Entwicklung und Voraussetzung für gesunde Zähne im Erwachsenenalter legen. So fördert das Stillen die Sprachentwicklung der Kinder, unterstützt die Entwicklung der Kiefer und Kiefergelenke und beugt Zahnfehlstellungen vor. Stillkinder weisen seltener Zahnfehlstellungen, wie z. B. frontal offener Biss oder seitlicher Kreuzbiss, im Milchgebiss auf als flaschenernährte Kinder. Die WHO empfiehlt ausschließliches Stillen in den ersten 6 Lebensmonaten. Diese Forderung wird auch von der Zahnmedizin unterstützt.
In diesem Zusammenhang sei auf die frühkindliche Karies verwiesen. Sie ist weltweit eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Kleinkind- und Vorschulalter. Während in den vergangenen Jahrzehnten eine wesentliche Verbesserung der Mundgesundheit im bleibenden Gebiss beobachtet wurde, ist dieser allgemeine Kariesrückgang im Milchgebiss gering ausgefallen.
In Deutschland basiert die Prävention oraler Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen auf der gesetzlich fixierten Gruppen- und Individualprophylaxe (SGB V, § 21 und § 22 Abs. 2). Kleinkinder werden im Nachgang der Covid-19 - Pandemie mit dieser zahnärztlichen Betreuungsstruktur derzeit jedoch noch nicht wieder ausreichend erreicht, da die GP-Aktivitäten eingestellt wurden. Zahnärztin oder Zahnarzt werden häufig erst bei Beschwerden des Kindes aufgesucht, obwohl durch die Gesetzlichen Krankenversicherungen seit 1. Juli 2019 drei zusätzliche Früherkennungsuntersuchungen für Kleinkinder angeboten werden. Diese finden zwischen dem 6. und dem vollendeten 33. Lebensmonat statt. Zusätzlich haben Kinder zwischen dem 6. und dem 33. Lebensmonat zweimal im Kalenderhalbjahr Anspruch auf eine Zahnschmelzhärtung durch das Auftragen von Fluoridlack in der Praxis. Die BZÄK begrüßt diese solidarisch finanzierten früh einsetzenden Präventionsmaßnahmen für alle Kleinkinder, die in der Gruppenprophylaxe nicht erreicht werden, denn sie bieten eine Chance die hohe Prävalenz der frühkindlichen Karies zu reduzieren.
Zudem wäre eine intensive fachübergreifende Kooperation zwischen Zahnärztinnen und Zahnärzten mit Berufsgruppen wie Gynäkologinnen und Gynäkologen, Kinderärztinnen und Kinderärzte, Hebammen, pädagogischem Fachpersonal sowie mit in der interkulturellen Gesundheitsvermittlung tätigem Fachpersonal erstrebenswert. So ließen sich auch Frauen, die während ihrer Schwangerschaft keine Zahnärztin / keinen Zahnarzt konsultieren, erreichen. Hierbei sollten werdende Eltern zusätzlich darüber informiert werden, mit ihrem Nachwuchs möglichst frühzeitig einen Zahnarztbesuch wahrnehmen, um mögliche Munderkrankungen präventiv zu beeinflussen, die Mundgesundheit zu fördern und erste positive Erfahrungen in der Zahnarztpraxis zu sammeln.
Flankiert werden sollten diese Präventionsansätze durch eine Reduktion des Zuckergehaltes in Speisen und Getränke speziell für (Klein-)Kinder; eine Maßnahme, die die Zahnärzteschaft bereits seit vielen Jahren fordert. In diesem Zusammenhang würde die BZÄK auch die Umsetzung der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgestellten Ernährungsstrategie der Bundesregierung begrüßen, die gesünderes Essen in Kitas, unter anderem mit einem reduzierten Zuckeranteil, vorsieht. Auch die Umsetzung der geplanten frühkindlichen Ernährungsbildung wäre wünschenswert.
An vielen Stellen sehen wir bereits die Erfolge der engen Zusammenarbeit der genannten Akteure, wofür ich im Namen der Bundeszahnärztekammer einen herzlichen Dank aussprechen möchte. Zudem möchte ich dem engagierten Praxispersonal, den niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzten, Lehrerinnen und Lehrern sowie allen Erzieherinnen und Erziehern, die seit Jahren an der Umsetzung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde arbeiten, ein herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit aussprechen. Ohne die großartige Unterstützung "vor Ort" wären die bisher erreichten Erfolge im Bereich Mundgesundheit nicht möglich gewesen.Abschließend gilt mein Dank den Landes- und regionalen Arbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege, den Krankenkassen, den Zahnärzten und Zahnärztinnen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie den Landeszahnärztekammern für die seit Jahren unermüdliche, interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Für Rückfragen:
Dr. Sebastian Ziller
Telefon: +49 30 40005-160
E-Mail: s.ziller@ bzaek.de