Statement 25.09.2023
Von Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer
Die Entwicklung der Zahn- und Mundgesundheit in Deutschland gilt unter Präventionsfachleuten und den Akteuren in der Gesundheitspolitik als einzigartige Erfolgsgeschichte im Handlungsfeld "Gesundheitsförderung und Prävention". Daran, dass dieser Erfolg, der sich besonders eindrucksvoll am Kariesrückgang bei den Kindern und Jugendlichen zeigt, kein Selbstläufer war, sondern durch intensive Zusammenarbeit vieler Einzelner und vieler Organisationen zustande kam, soll am heutigen „Tag der Zahngesundheit“ erinnert werden. Denn der Tag der Zahngesundheit trägt seit über 30 Jahren dazu bei, die Mundgesundheit in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und sich beharrlich für deren Verbesserung einzusetzen.
Dazu passt, dass im Mai dieses Jahres die Weltgesundheitsversammlung (WHA) der Weltgesundheitsorganisation WHO auf ihrer 76. Sitzung einen „Globalen Aktionsplan zur Mundgesundheit (Global Oral Health Action Plan 2023–2030)“ verabschiedet hat. Dieser will in erster Linie die politische Aufmerksamkeit für eine generelle Berücksichtigung der Mundgesundheit im Rahmen der Gesundheitspolitik erhöhen. Er zielt darauf ab, die Mundgesundheit weltweit in die allgemeinen Präventionspolitiken einzubetten und in der Gesundheitspolitik im Rahmen der Gesundheitsförderung und der primären Prävention mit konkreten Maßnahmen endlich stärker zu berücksichtigen.
Bestimmte Altersgruppen und Lebensumfelder der Menschen werden seit Jahren in den Fokus des Tages der Zahngesundheit genommen. Der diesjährige Tag der Zahngesundheit steht unter dem Motto „Gesund beginnt im Mund – für alle!“ und nimmt die sogenannten „vulnerablen Gruppen“ in den Blickpunkt. Es handelt sich um Menschen aller Altersgruppen, die auf Grund ihrer körperlichen und/oder seelischen Konstitution (z.B. Behinderung, psychische Erkrankung, hohes Alter) oder/und auf Grund ihrer besonderen sozioökonomischen Situation (z.B. Obdachlosigkeit, Armut, Flüchtlingserfahrung) unter anderem für krankmachende Ursachen besonders anfällig und verletzlich (vulnerabel) sind. Es gibt immer noch Bevölkerungsgruppen, die am Fortschritt der Zahnmedizin und an der umfassenden Präventionsarbeit zu wenig partizipieren. Das betrifft auch Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung.
Der TdZ-Ansatz ist also sehr breit angelegt und bietet damit viele Möglichkeiten einer interdisziplinären Zusammenarbeit im Rahmen einer inklusiven Mundgesundheitsförderung. Wir möchten eine breite Öffentlichkeit für die (mund)gesundheitlichen Defizite von Menschen, die häufig „vergessen oder übersehen werden“, sensibilisieren. Rund um den Tag der Zahngesundheit sollen unterstützende Angebote vorgestellt, die Mundgesundheitskompetenz gestärkt sowie Möglichkeiten der gesundheitlichen Teilhabe aufgezeigt werden. Die Special Olympics World Games, die im Juni 2023 in Berlin stattfanden, haben hier schon eine große öffentliche Wahrnehmung erreicht, die wir verstetigen wollen.So bedeutet beispielsweise die Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen in allen Lebensbereichen auf der Basis gleicher Rechte zu ermöglichen.
In gleicher Weise besteht das zentrale Ziel der Zahnärzteschaft seit vielen Jahren darin, die Mundgesundheit aller Menschen in unserer Gesellschaft kontinuierlich zu verbessern. Menschen mit einer Behinderung oder einem pflegerischen Unterstützungsbedarf bedürfen dabei einer besonderen Aufmerksamkeit, denn noch viel zu häufig sind ein Pflegegrad oder ein körperliches „Handicap“ in Deutschland gleichbedeutend mit einer schlechten Mundgesundheit. So zeigen viele Untersuchungen, dass der orale Gesundheitszustand bei Menschen mit Pflegebedarf im Durchschnitt deutlich schlechter ist als in der Allgemeinbevölkerung. Daher sind gerade diese Menschen auf eine bedarfsgerechte, wohnortnahe und flächendeckende Versorgung dringend angewiesen.
Mit Blick auf die aktuell fast acht Millionen Menschen mit Schwerbehinderung in Deutschland, den voraussichtlichen Anstieg der Pflegebedürftigen auf über 5,6 Millionen bis zum Jahr 2035 sowie eine weiter zunehmend alternde Gesellschaft sind umfangreiche sozial-und gesundheitspolitische Maßnahmenpakete – auch im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung – zur Bewältigung dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen hin zu einer inklusiven Gesellschaft unabdingbar.
Die BZÄK würde es in diesem Zusammenhang sehr begrüßen, wenn das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP angekündigte Maßnahmenpaket zur Alterszahngesundheit endlich gemeinsam mit den Berufsverbänden und Fachgesellschaften erarbeitet und umsetzt. So haben viele niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte mit stationären Pflegeeinrichtungen bereits Kooperationsverträge geschlossen. Ein Problem sind die Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe. Kooperationsverträge sind nach § 119b SGB V auf stationäre Pflegeeinrichtungen gemäß § 71 (2) SGB XI begrenzt. Hier ist eine Erweiterung auf Einrichtungen der Eingliederungshilfe gemäß §71 (4) SGB XI sinnvoll. Da die Präventionsleistungen nach § 22a SGB V für Pflege und Behinderung gelten, wäre diese Erweiterung eine sachlogische Folge.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zudem die Ausarbeitung des „Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ angekündigt. Der BZÄK ist es ein wichtiges Anliegen, bestehende Barrieren in der Gesundheitsversorgung abzubauen und Inklusion in allen Bereichen des Gesundheitswesens voranzubringen. Da es sich bei der Erarbeitung des Aktionsplans um ein umfassendes Projekt handelt, bei dem vielfältige Bedürfnisse und ein weites Spektrum an Handlungsfeldern berücksichtigt werden sollten, ist es sinnvoll, einen gemeinsamen Prozess von zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Politik zu organisieren. Alle Betroffenen können und müssen frühzeitig in das Verfahren eingebunden werden.Abschließend möchte ich im Namen der Bundeszahnärztekammer dem engagierten Praxispersonal, den niedergelassenen Zahnärzten und Zahnärztinnen, den Landes- und regionalen Arbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege, den Krankenkassen, den Zahnärzten und Zahnärztinnen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, den Landeszahnärztekammern sowie den Lehrern und Erziehern, die seit Jahren "vor Ort" an der Umsetzung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde arbeiten, ein herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit aussprechen.
Ohne die großartige Unterstützung dieser vielen Partner im Bereich Mundgesundheit wären die bisher erreichten Erfolge nicht möglich gewesen.
Für Rückfragen:
Dr. Sebastian Ziller
Telefon: +49 30 40005-160
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