Statement 25.09.2022

Von Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer

Die Entwicklung der Zahn- und Mundgesundheit in Deutschland gilt unter Präventionsfachleuten und den Akteuren in der Gesundheitspolitik als einzigartige Erfolgsgeschichte im Handlungsfeld "Gesundheitsförderung und Prävention". Daran, dass dieser Erfolg, der sich besonders eindrucksvoll am Kariesrückgang bei den Kindern und Jugendlichen zeigt, kein Selbstläufer war, sondern durch intensive Zusammenarbeit vieler Einzelner und vieler Organisationen zustande kam, soll am heutigen „Tag der Zahngesundheit“ erinnert werden. Denn der Tag der Zahngesundheit trägt seit über 30 Jahren dazu bei, die Mundgesundheit in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und sich beharrlich für deren Verbesserung einzusetzen.
Dazu passt, dass im Mai dieses Jahres die Weltgesundheitsversammlung (WHA) der Weltgesundheitsorganisation WHO auf ihrer 75. Sitzung die „Globale Strategie zur Mundgesundheit (Global Strategy on Oral Health)“ beschlossen hat. Diese will in erster Linie die politische Aufmerksamkeit für eine generelle Berücksichtigung der Mundgesundheit im Rahmen der Gesundheitspolitik erhöhen. Sie zielt darauf ab, die Mundgesundheit weltweit in die allgemeinen Präventionspolitiken einzubetten und in der Gesundheitspolitik im Rahmen der Gesundheitsförderung und der primären Prävention endlich stärker zu berücksichtigen.

Bestimmte Altersgruppen und Lebensumfelder der Menschen werden seit Jahren in den Fokus des Tages der Zahngesundheit genommen. Der diesjährige Tag der Zahngesundheit steht unter dem Motto „Gesund beginnt im Mund – in Kita & Schule!“ und nimmt damit nicht zum ersten Mal zwei Settings in den Blickpunkt, welche die Möglichkeiten interdisziplinärer Zusammenarbeit im Rahmen der Mundgesundheitsförderung sowie bei der Karies- und Gingivitisprophylaxe im Kindes- und Jugendalter ideal widerspiegeln. Der innerhalb eines Vierteljahrhunderts vollzogene Paradigmenwechsel in der Zahnmedizin von der Kuration zur Prävention und von der Zahngesundheit zur Mundgesundheit zeigt sich exemplarisch in der zahnärztlichen Gruppenprophylaxe (GP) als einem wesentlichen Baustein von Kindergesundheit und damit als einer der Voraussetzungen von gesunder kindlicher Entwicklung.Die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe hat sich zum reichweitenstärksten Präventions- und Gesundheitsförderungs-Angebot für Kinder und Jugendliche in Deutschland entwickelt. Pro Schuljahr – gemessen an den Zahlen vor der Corona-Pandemie - nehmen bundesweit fast 5 Millionen Kinder und Jugendliche an der Gruppenprophylaxe teil, viele von ihnen mehrmals pro Jahr. In Kindergärten und Grundschulen beträgt der jährliche Betreuungsgrad rund 80 Prozent aller Kinder.

Vor dem Hintergrund des ganzheitlich ausgerichteten Präventionsansatzes der GP möchte ich kurz diejenigen Elemente nennen, die aus meiner Sicht wesentlich für ein erfolgreiches gruppenprophylaktisches Engagement sind und auch in Zukunft sein werden:- gesetzliche Regelungen einschließlich einer ausreichenden Finanzierung der Gruppenprophylaxe,

  • Standards in Forschung, Gesundheitsberichterstattung, in Aus-, Fort- und Weiterbildung mit einer zukünftig stärkeren Betonung von Dental Public Health,
  • die Kooperation und Vernetzung innerhalb und zwischen den beteiligten Akteuren der GP sowie
  • eine auf Kontinuität angelegte, zielgruppenspezifische und qualitätsgesicherte Information und Aufklärung.

Im Hinblick auf die geplante Novellierung des Präventionsgesetzes möchte ich unsere Forderungen untermauern …

  • … die Eigenständigkeit der GP-Maßnahmen nach § 21 SGB V gegenüber § 20 SGB V politisch zu stärken un
  • bei der Umsetzung des Präventionsgesetzes in den Settings von Kindern und Jugendlichen vorrangig auf solche Konzepte zuzugreifen, die bestehende Strukturen nutzen und mit deren Akteuren der Gruppenprophylaxe nach § 21 SGB V zu kooperieren. Nur so lassen sich viele Kinder und Jugendliche präventiv erreichen. Zudem ist es sinnvoll, regionale Schwerpunkte zu setzen und sich an Lebensverläufen zu orientieren, um interdisziplinäre Präventionsketten - besonders für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche - zu schaffen bzw. weiter auszubauen.

Betonen möchte ich am heutigen Tag, dass die Kariesprophylaxe nicht Opfer ihres eigenen Erfolgs werden darf. Die überwiegend guten dmft- und DMFT-Werte, die Ausdruck der Karieserfahrung sind, dürfen nicht dazu führen, das Augenmerk von der Gruppenprophylaxe abzuwenden. Mundgesundheitsförderung und Prävention sind Daueraufgaben für alle an der Gruppenprophylaxe Mitwirkenden, denn auch nachwachsende Generationen werden nicht mit einem genetischen Stempel auf ewige Zahn- und Mundgesundheit in unsere Gesellschaft hineinwachsen. Zudem gilt es, die theoretischen Konzepte wie deren praktische Umsetzung auf Grund der sich ständig ändernden gesellschaftlichen sowie auf die Umwelt bezogenen Rahmenbedingungen – ich erinnere an die Limitationen der GP durch die Covid-19 – Pandemie sowie die Herausforderungen durch die aktuellen Flüchtlingsströme infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine - passgenau auf dem Laufenden zu halten.

Die RKI-Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS-2, 2014-2017) belegt, dass zielgruppengerechte Maßnahmen gerade für Kinder und Jugendliche der niedrigen Statusgruppe und mit Migrationshintergrund, zu guten Ergebnissen im Mundgesundheitsverhalten führen. Hier spielen Kindertagesstätten und Schulen als Settings eine zentrale Rolle. Die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe wirkt in diesem Sinne sozialkompensatorisch, denn sie erreicht gerade diejenigen, die selten eine Zahnarztpraxis aufsuchen. Sie trägt so auch zur gesundheitlichen Chancengleichheit bei.

Die Arbeit der BZÄK im Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) ist nach wie vor von großer Bedeutung. Wir unterstützen die Aktivitäten der DAJ zur Weiterentwicklung der Gruppenprophylaxe, denn für eine wirksame Kariesvermeidung ist auch künftig eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, Zahnärztinnen und Zahnärzten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, niedergelassenen Zahnärzten und Zahnärztinnen, Kinder- und Jugendmedizin, Kommunen sowie weiteren Berufsgruppen wie Erziehr:innen, Lehrer:innen und Hebammen notwendig. Die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe muss dabei auch parallel zur Coronapandemiebekämpfung wieder auf Normalbetrieb gebracht und verstetigt werden. Die Verantwortlichen hoffen, endlich wieder in gewohntem Umfang zu arbeiten. Der Tag der Zahngesundheit 2022 ist der Gruppenprophylaxe gewidmet. Die Botschaft lautet: Mundhygiene in und nach Zeiten von COVID-19 – jetzt erst recht! In der Gruppenprophylaxe arbeiten Hygieneprofis mit Expertise im Infektionsschutz. Durch den engagierten Einsatz aller Mitarbeitenden in der Gruppenprophylaxe - die bei Kindern und Jugendlichen von erheblicher Bedeutung ist - wird somit auch die Hygieneerziehung gefördert.

Für Rückfragen:
Dr. Sebastian Ziller
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