Statement 25.09.2021

Des Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. (BZÖG)

Die Zahnhaltegewebe im Blick behalten – ein Leben lang

Daten nationaler Studien, wie die der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V), sowie auch bevölkerungsbezogener internationaler Erhebungen zeigen, dass Erkrankungen des Zahnhalteapparats (Parodontitis) weit verbreitet sind und mit steigendem Alter zunehmen. Diese sind hauptsächlich durch bakteriellen Zahnbelag bedingt und gelten neben der Karies als häufigste Erkrankung der Mundhöhle. So ist in Deutschland in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen bereits mehr als jeder zweite Erwachsene von einer milden bzw. schweren Verlaufsform einer Parodontalerkrankung betroffen, die mit Zahnfleischtaschen und fortschreitendem Knochenabbau verbunden ist. In der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen weisen schon 65,0 % eine Erkrankung des Zahnhalteapparats auf. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen konnten zeigen, dass auch bei Kindern und Jugendlichen bestimmte Verlaufsformen einer Parodontitis auftreten können, die erfreulicherweise jedoch erstens selten sind und zweitens häufig in Verbindung zu einer systemischen Grunderkrankung oder bestimmten genetischen Voraussetzungen stehen. Da in Fachkreisen eine Zahnfleischentzündung (Gingivitis) als Vorstufe einer Parodontitis gilt, sollte unser Augenmerk darauf gelegt werden, eine Erkrankung des Zahnhalteapparats bereits in ihrem Anfangsstadium zu erkennen und wirksam zu bekämpfen. Wie den Ergebnissen der aktuellen DMS V-Studie ebenfalls entnommen werden kann, wurden bei nahezu allen Studienteilnehmer*innen in der Altersgruppe der 12-Jährigen Zahnfleischentzündungen beobachtet. Diese sind zwar bei einer entsprechenden Verbesserung des Mundhygieneverhaltens rückläufig und führen bei gesunden Kindern und Jugendlichen nicht zur Entstehung einer Parodontitis. Die aktuelle Studienlage lässt jedoch Rückschlüsse zu, dass fortbestehende Zahnfleischentzündungen im Kindes- und Jugendalter das Risiko für eine Parodontitis im Erwachsenenalter fördern können. Umso mehr kommt daher einer frühen und altersgemäßen Wissensvermittlung und Motivation zur Mundhygiene in der zahnmedizinischen Individual- und Gruppenprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen eine besondere Bedeutung zu.

Dass eine engmaschige und regelmäßige zahnärztliche Betreuung und Beratung einen hohen Stellenwert besitzt, zeigen Beobachtungen im Rahmen gruppenprophylaktischer Maßnahmen bei Heranwachsenden insbesondere in weiterführenden Schulen. Neben dem sehr hohen Beratungsbedarf sind sehr häufig zum Teil gravierende Putzdefizite erkennbar, die aus fehlenden praktischen Kenntnissen in der Umsetzung wirkungsvoller Mundhygienemaßnahmen und der nicht sachgerechten Anwendung einfachster Mundhygienehilfsmittel resultieren. Dass diese Defizite aber nicht zwingend nur aus Unkenntnis entstehen, sondern unter Umständen auf zum Teil irreführende oder widersprüchliche Informationen zurückzuführen sind, ist nicht nur Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, sondern auch im Blickpunkt des öffentlichen und medialen Interesses, wie u.a. die Presseveröffentlichung in der Online-Ausgabe der ZEIT („Planlos im Mundraum“) aus 2014 eindrücklich zeigt.

Gerade bei Kindern und Jugendlichen kommt es daher in nicht unerheblichem Maß darauf an, sie auf Augenhöhe anzusprechen und sie dort abzuholen, wo sie gerade wissensmäßig stehen. Dies ist sehr gut im Rahmen der individualprophylaktischen Betreuung in der Zahnarztpraxis möglich. Da für viele Heranwachsende aus sozial prekären Lebenslagen der Zugang in die (zahn)ärztliche Praxis jedoch aus verschiedenen Gründen schwierig ist und der Praxisbesuch in vielen Fällen lediglich anlassbezogen erfolgt, bietet die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen große Potenziale, insbesondere auch diese Kinder und Jugendlichen in ihrem täglichen Lebensumfeld zu erreichen.

Das Konzept der „Individualisierten Gruppenprophylaxe“ im Öffentlichen Zahngesundheitsdienst, welches anlässlich des Tages der Zahngesundheit 2019 in den Zahnärztlichen Mitteilungen vorgestellt wurde ("Wir sprechen die Jugendlichen auf Augenhöhe an"), ermöglicht es, eine auf die individuellen Bedarfe und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen zugeschnittene Beratung im Rahmen der zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung in der Schule und somit in einem für die Heranwachsenden vertrauten und geschützten Umfeld umzusetzen.

Im Zusammenspiel mit der Individualprophylaxe könnte dies ein sehr wirkungsvoller Ansatz sein, die Erkrankungshäufigkeit im Bereich der parodontalen Halte- und Stützgewebe künftig langfristig zu senken, indem bereits im Kindes- und Jugendalter die persönliche Befähigung (Empowerment) im Sinne der Ottawa Charta der Weltgesundheitsorganisation gefördert wird.

Daher begrüßt der BZÖG das diesjährige Motto zum Tag der Zahngesundheit „Gesund beginnt im Mund – Zündstoff“, welches die Prävention parodontaler Erkrankungen noch mehr in den Fokus des öffentlichen Interesses rückt.