Statement 25.09.2020

Von Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer

Der 25. September ist der Tag der Zahngesundheit. In diesem Jahr steht er unter dem Motto "Gesund beginnt im Mund - Mahlzeit!". Damit lenken Zahnmediziner, Krankenkassen, Kinder- und Jugendärzte den Blick auf das vielseitige Thema Ernährung. Der Tag der Zahngesundheit möchte hier Orientierungshilfe bieten und darüber aufklären, was eine gesunde und insbesondere mundgesunde Ernährung ausmacht. Die wesentlichen Erkrankungen in der Zahnmedizin haben mehrere Ursachen und folgen einem bio-psycho-sozialen Krankheitsverständnis. Unter den verhaltensabhängigen Faktoren kommt der Ernährung eine große Bedeutung zu.

Der Verdauungsprozess beginnt bereits mit der Nahrungsaufnahme: Zähne als auch Speichel sorgen für die optimale Zerkleinerung und Verarbeitung der Speisen. Eine ausreichende Kaufunktion, auch nach Zahnverlust durch funktionstüchtigen Zahnersatz, und ein ausreichender Speichelfluss sind dafür eine wesentliche Grundlage.

Die Zusammensetzung der Nahrung hat unmittelbaren Einfluss auf die Entstehung von Krankheiten innerhalb der Mundhöhle. So wird insbesondere Karies durch eine übermäßige Zufuhr von Kohlenhydraten (Zucker) befördert. Die frühkindliche Karies ist in Deutschland ein nicht zu vernachlässigendes Krankheitsbild und wird von zuckerhaltigen Speisen und Getränken ausgelöst. Zudem führen stark säurehaltige Speisen und v. a. Getränke zu einem nichtkariös bedingten Verlust von Zahnhartsubstanz (Erosionen). Auch im Bereich parodontaler Erkrankungen wird die Bedeutung der Ernährung im Hinblick auf entzündungshemmende und entzündungsauflösende Nahrungsbestandteile (Omega-3-Fettsäuren) diskutiert. Auch die Bildung von Plaque lässt sich durch günstige Nahrungszusammensetzung vermutlich reduzieren.

Darüber hinaus wissen wir heute sehr viel über die Wechselwirkungen zwischen oralen Erkrankungen und bedeutenden Allgemeinerkrankungen. Verwiesen sei hier auf den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Zahnkaries, oder auf die Entwicklung eines Diabetes, der wiederum Zahnbetterkrankungen begünstigen kann. Mangelernährung in Folge einer schlechten Mundgesundheit hat darüber hinaus Folgen für die physische und psychische Gesundheit. Und schließlich kommt einem übermäßigen Alkoholkonsum bei der Entstehung von Mundhöhlentumoren eine erhebliche Bedeutung zu.

Ernährungsmediziner machen immer wieder darauf aufmerksam, dass die Ernährung in Deutschland nach wie vor nicht dem entspricht, was etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. So ist das Essen im Durchschnitt immer noch zu energiereich, zu fett und enthält in hochverarbeiteten Lebensmitteln zu viel Einfachzucker und Stärke. Obwohl bekannt ist, dass der Einfluss der Ernährung auf die Gesundheit groß ist, gibt es in Deutschland bislang keine konsequente Präventionspolitik im Ernährungsbereich. Die Nationale Strategie der Bundesregierung für die Reduktion und Innovation von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten setzt bspw. lediglich auf die Selbstverpflichtung der Lebensmittelhersteller, ihre Produkte gesünder zu machen. Selbstverpflichtungen ohne klare Vorgaben und Sanktionsmöglichkeiten sind in der Regel aber erfolglos.

Zudem sollte die Reduktionsstrategie der Bundesregierung in einen größeren Gesamtzusammenhang gestellt werden. Ohne ein entsprechendes Bildungskonzept wird die Reduktionsstrategie an ihre Grenzen stoßen. Gerade im Hinblick auf die Ernährungsbildung in Kitas und Schulen existiert dort das ideale Umfeld, um mit erzieherischen und regulatorischen Maßnahmen Erfolge zu erzielen. Settingansätze erhöhen bei der Gesundheitsbildung die Gesundheitskompetenz der Kinder von Anfang an. Die Gesundheitserziehung sollte über eine enge Kooperation mit Partnern erfolgen, um Botschaften verstärkt öffentlichkeitswirksam zu vermitteln. Darunter fallen Ministerien und Kommunen genauso wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung oder Medien. Die Zusammenarbeit mit den pädagogischen Fachkräften, in deren Aufgaben- und Kompetenzbereich die Gesundheitsbildung in Kita und Schule fällt, ist dabei wesentlich.

Die Botschaften müssen dabei im Kontext mit anderen medizinischen Risiken formuliert und vermittelt werden. Die Zahnmedizin darf sich bei ihren Ernährungsempfehlungen nicht nur auf die Zähne beziehen, sondern muss die Gesundheit des ganzen Menschen im Auge behalten. So enthalten Äpfel über 10 Prozent Zucker und viel Säure, wirken also kariogen und erosiv. Aber trotzdem ist der Apfel durch seine Vitamine und Ballaststoffe eine deutlich bessere Zwischenmahlzeit als ein Schokoriegel.

Um den Geschmack von Kleinkindern gesund zu prägen, sollte in der Gemeinschaftsbetreuung, ggf. öffentlich subventioniert, eine vollwertige Verpflegung verwirklicht werden.

Unsere Wünsche an die Politik

Zahnmedizin und Medizin sehen bei der Krankheitsentstehung zum Teil gemeinsame Risikofaktoren (common risk factor approach). Dies bietet der Zahnmedizin u. a. die Möglichkeit, Einfluss auf Fehlernährung zu nehmen. Die BZÄK hat sich im letzten Jahr bereits gemeinsam mit anderen medizinischen Fachdisziplinen zu dem Thema (mund)gesunde Ernährung wie folgt positioniert:

1. Der Verbraucher hat ein Recht auf eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung, insbesondere im Hinblick auf die Menge zuckerhaltiger Nahrungsbestandteile und ungünstiger Fettsäuren.

2. Insbesondere Lebensmittel für Kleinkinder sollten deutlich zuckerreduziert, mit einer klaren Lebensmittelkennzeichnung (speziell auf Zucker) versehen sein und deutlichen Beschränkungen für die Lebensmittelwerbung unterliegen.

3. Die Einführung von Sonderabgaben für stark zucker- und/oder säurehaltige sog. Softdrinks ist eine sinnvolle Maßnahme, wie das Beispiel anderer Länder zeigt.

4. Es braucht verbindliche Standards für eine ausgewogene, gesunde Schul- und Kitaverpflegung.

5. Die Verhältnis- und Verhaltensprävention im Bereich der Ernährung sollte durch Maßnahmen der Präventionsgesetzgebung unterstützt werden.

6. Die Gruppenprophylaxe (§ 21 SGB V) sollte auch zur Vermittlung einheitlicher Standards von Ernährungsempfehlungen genutzt werden.

Für Rückfragen:
Dr. Sebastian Ziller
Telefon: +49 30 40005-160
E-Mail: s.ziller@remove.this.bzaek.de