Statement 25.09.2019

Von Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer

Der 25. September ist der Tag der Zahngesundheit. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „Gesund beginnt im Mund – Ich feier’ meine Zähne!“. Damit lenken Zahnmediziner, Krankenkassen und Kinder- und Jugendärzte den Blick auf eine sehr heterogene und wichtige Zielgruppe: die Jugendlichen.

Die fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V, 2016) zeigt, dass in Deutschland acht von zehn 12-jährigen Kindern heute vollkommen kariesfrei (81,3 Prozent) sind. Die Zahl der kariesfreien Gebisse hat sich damit in den Jahren 1997 bis 2014 praktisch verdoppelt. Die durchschnittliche Karieserfahrung beträgt in dieser Altersgruppe sensationelle 0,5 DMFT-Zähne (DMFT = Anzahl kariöser, gefüllter und fehlender Zähne). Damit steht Deutschland mit Dänemark an der Weltspitze.

Als Ursachen für den weiteren Kariesrückgang können die breite Nutzung von fluoridhaltigen Zahnpasten, die regelmäßigen, kontrollorientierten Besuche in Zahnarztpraxen und die Versiegelung der Backenzähne sowie gruppenprophylaktische Impulse ausgemacht werden.

Besonders erfreulich ist, dass die Entwicklung über alle sozialen Schichten hinweg positiv verläuft, wenn auch nicht in gleicher Stärke. Auch Kinder mit einem vergleichsweise niedrigen Sozialstatus haben heute wesentlich gesündere Zähne als noch vor 20 Jahren. Die Zahnmedizin zeigt damit beispielhaft, dass Prävention, die früh greift, gesundheitliche Ungleichheiten reduzieren – aber leider auch nicht beseitigen - kann. Die engmaschige Gruppen- und Individualprophylaxe erfasst jedoch auch benachteiligte Kinder und andere Risikogruppen. Flächendeckende, früh einsetzende Präventionsmaßnahmen, solidarisch finanziert durch die gesetzlichen Krankenkassen, zahlen sich für alle Menschen aus, unabhängig von sozialen Schichten.

Allerdings zeigen Daten des Robert Koch-Institutes aus der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS II, RKI 2018) auch, dass über 26 Prozent der 14-17-Jährigen

  • eine nicht den Empfehlungen entsprechende Zahnputzhäufigkeit sowie
  • eine nicht den Empfehlungen entsprechende Inanspruchnahme zahnärztlicher Vorsorgeuntersuchungen aufweisen.

Aber auch die Angehörigen der verschiedenen Sozialschichten haben eine sehr unterschiedliche Karieserfahrung. Die Kariespolarisation (Schieflage der Kariesverteilung) zeigt, dass bei den 12-Järigen das Drittel mit der höchsten Karieserfahrung dreimal mehr erkrankte Zähne aufweist als der Durchschnitt (DMS V, 2016).

Wir Zahnärzte haben deshalb zwei Ziele für die Entwicklung der Mundgesundheit bei Jugendlichen:

  • Erstens wollen wir die präventiven Erfolge aus dem Kindesalter über die Pubertätsphase in das junge Erwachsenenalter fortführen und eine Verschlechterung der Mundgesundheit verhindern.
  • Zweitens wollen wir neben der frühzeitigen Elternarbeit vor allem die Jugendlichen selbst zu einer besseren Mundhygiene motivieren.

Was können wir tun?

In der Pubertät nimmt der Einfluss der Eltern auf die Jugendlichen ab – der Jugendliche entscheidet mehr und mehr selbst. Deshalb müssen die Akteure rund um die Mundgesundheit bereits im frühen Kindesalter anfangen, die Eltern über die Mundgesundheit aufzuklären und zu motivieren,  regelmäßig zahnärztliche Leistungen zu beanspruchen. Hier ist eine noch engere Kooperation mit unseren kinderärztlichen Kollegen gefragt. Positiv in diesem Zusammenhang: Seit dem 1.7.2019 werden Vorsorgeuntersuchungen auch für Kinder zwischen sechs Monaten und 3 Jahren von den Krankenkassen übernommen, verbunden mit verbindlichen Verweisen vom Haus-/Kinderarzt zum Zahnarzt im ärztlichen Gelben U-Heft.

Die Eigenmotivation der Jugendlichen setzt eine intensive Auseinandersetzung mit der Lebensart, dem Risikoverhalten, den Wünschen und Sorgen der Jugendlichen voraus. Die Pubertät ist ein wesentliches Ereignis im Leben eines Menschen, das durch große Umbrüche geprägt ist. Jugendlichen ist es viel wichtiger, gut auszusehen als gesund zu leben. Schöne Zähne stehen dabei hoch im Kurs. Außerdem beschäftigt die Jugendlichen in erster Linie die Anerkennung in ihrer Gruppe und ihre aufkeimende Sexualität. Diese und viele andere Aspekte, wie Ernährung, Genuss- und Suchtmittelkonsum aber auch der Migrationshintergrund sowie Bildung und Einkommen der Eltern beeinflussen die präventiv-zahnmedizinische Motivation bei Jugendlichen.

So verändert sich das Ernährungsverhalten – weg von der Ernährungslenkung durch die Eltern hin zum selbst bestimmten Genuss: Es werden häufiger süße Softdrinks, Süßigkeiten, salzige Knabberprodukte wie z. B. Chips, Cracker oder Tacos einer zahngesunden Ernährung vorgezogen.

Zugleich nimmt die Einflusskraft der Eltern im Verlauf der Pubertät dergestalt ab, dass die Teenager ihre Mundhygiene zum Teil vernachlässigen und auch Alkohol, Zigaretten und Drogen ausprobieren. Das heißt, riskante Lebensstile nehmen zu. Die Folgen können u.a. vermehrte Zahnzwischenraumkaries sowie erosive Zahnhartsubstanzschäden sein.

Darüber hinaus wissen wir heute auf Grund wissenschaftlicher Untersuchungen sehr viel über die Wechselwirkungen zwischen oralen Erkrankungen und bedeutenden Allgemeinerkrankungen.
Verwiesen sei hier auf den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Zahnkaries, oder auf die Entwicklung eines Diabetes, der wiederum Zahnbetterkrankungen begünstigen kann.

Wie erreichen wir die Zielgruppe?

Die Jugendlichen müssen in ihrer Sprache angesprochen und in ihrem Lebensumfeld erreicht werden (Setting-Ansatz). Das ist z. B. im Stadtteil, in der Disco, im Club, in der Schule etc. möglich. Für eine multidimensionale Gesundheitskommunikation können der Peer-group-Ansatz sowie die sogenannten sozialen Medien genutzt werden. Und: Die Informationsgeber müssen die Jugendlichen als Partner ernst nehmen.

Ebenfalls von Relevanz ist die Gesundheitserziehung über eine zukünftig verstärkte Kooperation mit Partnern, um Botschaften verstärkt öffentlichkeitswirksam zu vermitteln. Darunter fallen Ministerien und Kommunen genauso wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Drogenbeauftragte oder Medien. Von besonderer Bedeutung ist die Zusammenarbeit sowie die Nutzung von Kompetenzen der Erzieherinnen und Erzieher sowie Pädagoginnen und Pädagogen. Botschaften müssen dabei im Kontext mit anderen medizinischen Risiken formuliert und vermittelt werden.

Unsere Wünsche an die Gesundheitspolitik

Die BZÄK stellt fest, dass die seit über 25 Jahren im §21 SGB V fest verankerte Gruppenprophylaxe (GP) einen wichtigen gesundheitsfördernden, primär- und sekundärpräventiven Beitrag zur Mundgesundheit aller Kinder in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen leistet und auch zukünftig fester Bestandteil des zahnmedizinischen Präventionskanons sein muss. Der gruppenbezogene zahnmedizinische Präventionsansatz soll für die 14 – 17-Jährigen auch weiterhin Bestandteil der GP-Aktivitäten bleiben.

Insbesondere bei der Umsetzung des Präventionsgesetzes in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen sollte den Konzepten Vorrang eingeräumt werden, die bereits vorhandene Strukturen, wie die der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe nach § 21 SGB V, nutzen. Nur so können möglichst viele Kinder und Jugendliche präventiv erreicht werden. Darüber hinaus sind regionale Schwerpunktsetzungen sowie die Orientierung an Lebensläufen sinnvoll, um fachübergreifend Präventionsketten insbesondere für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche weiterzuentwickeln bzw. aufzubauen.

Für Rückfragen:
Dr. Sebastian Ziller
Telefon: +49 30 40005-160
E-Mail: s.ziller@remove.this.bzaek.de