Statement 20.09.2016

Von Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer

Gesamter Audio Mitschnitt des Statements:

Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Bildquelle: Wolff/Verein für Zahnhygiene

I. Die Fakten sprechen für sich: Zahnärzte sind in der Prävention erfolgreich.

Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass mehr auf die Faktenseite eingehen. Denn vor fünf Wochen wurde die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) durch das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) vorgestellt.

Die DMS V beschreibt repräsentativ den Mundgesundheitszustand der deutschen Bevölkerung zum Zeitpunkt 2013/2014. Die Studie liefert eine Fülle von Daten und Fakten über Karies, Parodontitis, Mundgesundheit im Alter und bei Pflegebedürftigkeit sowie über soziale Einflussfaktoren und das Gesundheitsverhalten. Kernaussagen sind:

  • Acht von zehn der 12-jährigen Kinder (81,3 Prozent) sind heute völlig kariesfrei.
  • Die Anzahl kariesfreier Gebisse hat sich bei den 12-jährigen von 1997 bis 2014 verdoppelt. Zudem haben die 12-Jährigen nur noch an durchschnittlich 0,5 Zähnen eine Karieserfahrung (DMF-T = 0,5). Damit liegt Deutschland an der Weltspitze.
  • Sowohl die Erkrankungsrate an Zahnkaries als auch die Zahl der Parodontalerkrankungen nimmt bei Erwachsenen und Senioren ab.
  • Nur jeder achte ältere Mensch zwischen 65 und 74 Jahren ist völlig zahnlos. Im Jahr 1997 war es noch jeder vierte.

Die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde hat mit ihrer präventionsorientierten Neuausrichtung vor mehr als 25 Jahren also sehr eindrucksvoll die Richtigkeit und Effektivität der eingesetzten Präventionsstrategien belegt. Fast alle Mundgesundheitsziele, die sich die Bundeszahnärztekammer für das Jahr 2020 gesetzt hat, wurden schon jetzt erreicht. Die hohe Zahl an gesunden Zähnen ist der Grundstein für eine gute Mundgesundheit auch im Erwachsenenalter – und im besten Fall ein Leben lang.

Dieser Erfolg beruht wesentlich auf regelmäßiger Mundhygiene, auf Fluoridanwendung und der Versiegelung der Kauflächen der Backenzähne sowie der regelmäßigen Inanspruchnahme zahnärztlicher Kontrolluntersuchungen. Dies bedeutet, dass auch die Anleitung zur richtigen Mundhygiene im Rahmen der Gruppenprophylaxe einen wichtigen Beitrag geleistet hat.

Dadurch, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Mundgesundheit stetig gestiegen ist, haben sich auch die Mundhygiene und das eigene Mundgesundheitsverhalten verbessert. Gut drei Viertel der Befragten der DMS V gaben an, regelmäßig zu ihrem Zahnarzt zur Kontrolluntersuchung zu gehen. Viele kennen auch die zahnärztlichen Empfehlungen zur Mundpflege und zum regelmäßigen Zähneputzen. Dazu gehört auch die regelmäßige Inanspruchnahme der Professionellen Zahnreinigung (PZR), die statistische Zusammenhänge zum Rückgang der Parodontitis erkennen lässt.

Allerdings beobachten wir weiterhin einen sogenannten sozialen Gradienten in der Mundgesundheit, d.h., es gibt bestimmte Gruppen, die stärker von oralen Erkrankungen betroffen sind als die Durchschnittsbevölkerung. Ältere Senioren mit Pflegebedarf zwischen 75 und 100 Jahren haben beispielsweise häufiger Karies und weniger eigene Zähne als die gesamte Altersgruppe der älteren Senioren.

Zudem haben Menschen aus sozial schwachen Milieus häufiger mit oralen Erkrankungen zu kämpfen als die Durchschnittsbevölkerung. Bei den 12-Jährigen sind 88 Prozent der Kinder mit hohem Sozialstatus völlig kariesfrei, im Gegensatz zu nur 75 Prozent bei Kindern mit niedrigem Sozialstatus. Dieses Phänomen zieht sich jedoch durch alle untersuchten Altersgruppen.

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass auch diese Gruppen etablierte Vorsorgeangebote und Aufklärung besser nutzen können. Diesen Handlungsauftrag nehmen wir Zahnärzte sehr ernst, um z.B. auch Menschen mit Migrationshintergrund besser zu erreichen. Deshalb sind die sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse der DMS V, wie das Mundgesundheitsverhalten oder die Inanspruchnahme der zahnärztlichen Dienstleistungen, auch so wichtig. Denn die wesentlichen oralen Erkrankungen hängen auch vom eigenen Verhalten ab. Genau hier muss der Ausbau der Vorsorge ansetzen. 

II. Ärztliche Kinderuntersuchungen für die Kleinsten verbessert

Es ist ein Mythos zu glauben, die Milchzahnkaries „wachse sich aus“ und sei „schon nicht so schlimm.“ Deshalb ist es ein weiterer erfreulicher Fakt, dass das neue gelbe U-Heft zum ersten September mit neuen Regelungen in Kraft tritt. Das gelbe Kinderuntersuchungsheft gehört ja in Deutschland mittlerweile wie der erste Zahn zur Kindheit dazu. Stärker als bisher sollen die Kinderärzte u.a. auch auf die Zahngesundheit achten und Eltern rechtzeitig zum Besuch eines Zahnarztes auffordern. Dafür haben sich BZÄK und KZBV in den letzten Jahren vehement bei Politik und Verordnungsgeber eingesetzt, denn Milchzähne sind die ersten Zähne und sowohl wichtig für die Entwicklung des Kauorgans, als auch für die psychosoziale und gesunde Entwicklung des Kindes. Ohne gesunde Milchzähne nehmen Kinder nicht altersentsprechend an Gewicht zu. Sie können nicht richtig sprechen lernen, und wenn sie sichtbar kariös zerstörte Zähne im Mund haben oder sogar Zähne bereits fehlen, wächst die Gefahr der sozialen Ausgrenzung.

III. Empfehlungen zur Gruppenprophylaxe bei unter 3-Jährigen

Gruppenprophylaxe ist in deutschen Kitas seit Jahrzehnten fest etabliert. Die Betreuung von Kleinkindern stellt jedoch sowohl die Einrichtungen als auch das Personal der Gruppenprophylaxe vor neue pädagogische Herausforderungen. Wie Eltern und Kita Hand in Hand arbeiten können, um frühkindliche Karies bei unter 3-Jährigen zu vermeiden, beschreiben die erweiterten Empfehlungen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. (DAJ), die im Juli dieses Jahres aktualisiert wurden. Denn mit der frühestmöglichen zahnmedizinischen Betreuung und mit der Ausdehnung der Gruppenprophylaxe in die Kinderkrippen und Kindertagesstätten können wir die Mundgesundheit von Kleinkindern verbessern, auch wenn sie in sozial schwachen Familien leben. Dieser frühpräventive Ansatz unterstützt sozial Benachteiligte und fördert so die gesundheitliche Chancengleichheit. Die DAJ hat bereits 2012 Empfehlungen zur Gruppenprophylaxe für diese Lebensphase gegeben und diese nunmehr mit einem gesundheitspädagogischen Ansatz ausgebaut. Allerdings ist die politische Unterstützung dieses Anliegens - insbesondere auf lokaler Ebene - dringend notwendig.

Zahnmedizinische Präventionsanliegen sind integraler Bestandteil der Gesundheitsprävention, Gesundheitserziehung und Information. Der Tag der Zahngesundheit mit seiner langen Tradition besitzt hierbei einen zentralen Stellenwert. Sowohl auf europäischer Ebene als auch im Rahmen der Weltorganisation der Zahnärzteschaft (FDI) versucht man dieses Konzept umzusetzen. Entsprechend fordern wir an solchen Tagen immer wieder die Berücksichtigung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bei sämtlichen Aktivitäten von Gesundheitspolitik und allen hierfür Verantwortlichen. 

Abschließend möchte ich im Namen der Bundeszahnärztekammer dem engagierten Praxispersonal, den niedergelassenen Zahnärzten, den Landes- und regionalen Arbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege, den Krankenkassen, den Zahnärzten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie den Lehrern und Erziehern, die seit Jahren "vor Ort" an der Umsetzung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde arbeiten, ein herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit aussprechen.

Ohne die großartige Unterstützung dieser vielen Partner im Bereich Mundgesundheit wären die bisher erreichten Erfolge – insbesondere in der Kariesprävention – nicht möglich! Damit setzen wir klare Fakten gegen Mythen.


Für Rückfragen:
Dr. Sebastian Ziller
Telefon: +49 30 40005-160
E-Mail: s.ziller@remove.this.bzaek.de