Statement 20.09.2016

Von Dr. Michael Kleinebrinker, Referatsleiter beim GKV-Spitzenverband

Gesamter Audio Mitschnitt des Statements:

Dr. Michael Kleinebrinker, Bildquelle: Wolff/Verein für Zahnhygiene

Nach dem großen 25-jährigen Jubiläum im letzten Jahr findet der diesjährige 26. Tag der Zahngesundheit sozusagen wieder im „Normal-Modus“ statt. Nichts desto trotz oder gerade deswegen ist das Motto, das der bundesweite Aktionskreis aus Zahnärzten, Krankenkassen, öffentlichem Gesundheitsdienst und vielen weiteren Organisationen dieses Jahr gewählt hat, besonders spannend: „Gesund beginnt im Mund – Fakten gegen Mythen“  - dieses Motto bietet dem GKV-Spitzenverband als Vertreter aller gesetzlichen Krankenkassen die Chance, auch mit einigen Mythen – oder anders ausgedrückt Vorurteilen -, die sich um die zahnmedizinische Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ranken, aufzuräumen. 

Vielfach sehen sich die Krankenkassen mit der Behauptung konfrontiert, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht oder gerade einmal ausreichend und unmodern seien. Der zahnmedizinische Fortschritt würde nicht berücksichtigt. Um die zahnmedizinischen Versorgungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung richtig einzuordnen, hilft allerdings ein Blick in andere Länder. In vielen Ländern wie etwa der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien oder Dänemark ist das zahnmedizinische Angebot deutlich eingeschränkter bzw. die Versicherten müssen für weitaus mehr Leistungen aus eigener Tasche zuzahlen. Der zahnmedizinische Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland gehört dagegen zu den umfassendsten, die es auf der Welt gibt. Die Versicherten erhalten viele Leistungen als Sachleistung ohne Zuzahlung. Von einem solchen Angebot können viele Menschen selbst in anderen Teilen Europas nur träumen.

Auch das Vorurteil, viele Leistungen würden den zahnmedizinischen Fortschritt nicht berücksichtigen, lässt sich entkräften. So hat eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss im Jahr 2013 in Auftrag gegebene Studie im Zusammenhang mit der Überprüfung der Regelversorgung beim Zahnersatz gezeigt, dass es derzeit zu den im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung vorhandenen Kronen- und Brückenpositionen keine gleichwertigen oder geeigneteren Alternativen gibt. Dass etwa die Keramikkrone besser ist als die Metallkrone, ist ein Mythos – vielmehr ist ihre langfristige Haltbarkeit noch unklar, wie diese Studie zeigt. Die Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz entspricht somit dem aktuellen Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse. Vor dem Hintergrund, dass nach den Ergebnissen der kürzlich veröffentlichten Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie der Trend immer mehr zu festsitzendem Zahnersatz geht, kann dieses Ergebnis gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Insofern müssen sich die Leistungen der GKV nicht verstecken.

 

Darüber hinaus hört man oft, die Krankenkassen täten nicht genug für die Vorsorge. Tatsächlich jedoch sind die Ausgaben der Krankenkassen für die zahnmedizinische Prophylaxe im Zeitraum von 2005 bis 2015 um über 28 Prozent gestiegen. Diese Ausgaben verteilen sich aufgrund des demographischen Wandels auf immer weniger Kinder, so dass heute pro Kind deutlich mehr Geld für Prophylaxeleistungen zur Verfügung steht als noch vor zehn Jahren. Dass dieses Geld gut angelegt ist, zeigen die Ergebnisse der neuesten Mundgesundheitsstudie. Danach ist der so genannte DMFT-Index, also der Karies-Index, bei den 12-Jährigen innerhalb der letzten zehn Jahre von 0,7 auf 0,5 gesunken. Konkret bedeutet das: Heute hat jeder 12-Jährige durchschnittlich nur noch einen halben Zahn mit Karieserfahrung im Mund. Die Kariesrate in dieser Altersgruppe ist damit so niedrig wie nie zuvor. Insgesamt sind heute 81 Prozent der 12-jährigen Kinder kariesfrei. Mit diesem Ergebnis liegt Deutschland im internationalen Vergleich einer Auswahl von 33 Ländern auf Platz eins. Die dritte Mundgesundheitsstudie vor rund 20 Jahren kam dagegen noch zu ganz anderen Ergebnissen, da lag Deutschland mit Platz 9 nur im oberen Drittel des internationalen Rankings. Aus Sicht der Krankenkassen ist es erfreulich, dass die Aussage „vieles wird teurer, aber wenig besser“ offenbar auf die zahnmedizinische Prophylaxe für Kinder nicht zutrifft.

Natürlich gibt es immer noch etwas zu verbessern. So weist zum Beispiel die Gruppe der pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderungen im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung eine schlechtere Mundgesundheit auf. Aber auch auf diesem Gebiet hat sich in den letzten Jahren einiges getan. So wurden mit der Einführung von Zuschlägen für Besuche Anreize für das Aufsuchen von pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderungen geschaffen. Darüber hinaus wird es demnächst spezielle Leistungen für die Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen geben, die über die GKV abgerechnet werden können. Die Krankenkassen werden dafür das notwendige Geld zur Verfügung stellen, um zu einer Verbesserung der Mundgesundheit auch bei dieser Personengruppe beizutragen. Es wäre schön, wenn die Entwicklung dabei einen ähnlichen Verlauf nimmt wie bei den Kindern. 

Der GKV-Spitzenverband nimmt den diesjährigen Tag der Zahngesundheit zum Anlass, stellvertretend für alle seine Mitgliedskassen im Hinblick auf die Mundgesundheit einmal zu sagen: Es ist sehr vieles gut so, wie es ist. Nicht zuletzt die außerordentlich positiven Ergebnisse der neuesten Mundgesundheitsstudie bestätigen diese Aussage. Natürlich gilt auch hier: Nichts was gut ist, kann nicht noch besser werden. Daran arbeiten wir kontinuierlich – und nicht zuletzt trägt auch der Tag der Zahngesundheit dazu bei, diese Aufgabe zu meistern. In diesem Sinne wünschen wir allen Beteiligten gutes Gelingen.