Statement 25.09.15

Von Prof. Dr. Johannes Einwag, Zahnmedizinisches FortbildungsZentrum Stuttgart

Gesamter Audio Mitschnitt des Statements:

Prof. Dr. Johannes Einwag

1. Das Wichtigste zuerst
Prophylaxe funktioniert! In allen Altersgruppen!

Karies, Gingivitis und Parodontitis, die häufigsten Krankheiten der Mundhöhle, sind vermeidbar. Das ist keine Theorie, sondern seit Jahrzehnten erfahrene Realität!

2. Die Grundlagen
Die zentrale Strategie hat sich – aufgrund erwiesener Wirksamkeit – in den vergangenen 25 Jahren nicht geändert: Die regelmäßige mechanische Entfernung von Zahnbelägen durch häusliche und professionelle Maßnahmen (das „mechanische Biofilmmanagement“) steht nach wie vor im Mittelpunkt der Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Zähne und des Zahnhalteapparates.

Der Volksmund hat dies allgemeinverständlich formuliert im Satz: „Ein sauberer Zahn bleibt gesund!“ Das verstehen nicht nur Kinder, das verstehen sogar Erwachsene. Es ist doch eigentlich ganz einfach! Wo liegt dann das Problem? Wieso gibt es nach wie vor Löcher in den Zähnen („Karies“), wieso gibt es Zahnfleischbluten und wackelnde Zähne (Gingivitis/ Parodontitis)?

Die zentrale Strategie hat sich – aufgrund erwiesener Wirksamkeit – in den vergangenen 25 Jahren nicht geändert: Die regelmäßige mechanische Entfernung von Zahnbelägen durch häusliche und professionelle Maßnahmen. Der Belag muss weg - aber schonend!

3. Das Problem
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! Auch diese Erkenntnis ist einfach! Die Bildung der Beläge geschieht lebenslang – also müssen die Maßnahmen zur Belagentfernung ebenfalls lebenslang erfolgen! Und dazu bedarf es lebenslanger Motivation!

Was gelegentlich aber vergessen wird: Nicht nur die Regelmäßigkeit, sondern auch die Qualität der Belagentfernung ist von Bedeutung! Ein „sauberer Zahn“ bedeutet: 100% sauber! Beim „Säubern der Zähne“ (Hartgewebe) und des umgebenden Zahnfleisches („Weichgewebe“) gelten grundsätzlich die gleichen Regeln, wie sie auch für die Reinigung anderer harter oder weicher Oberflächen (Auto/Teller oder Kleid/Hose etc.) wie selbstverständlich vorausgesetzt werden: Nutzen stiften (Säubern) ohne Schaden anzurichten (die Oberfläche beschädigen).

Vereinfacht ausgedrückt: Der Belag muss weg – aber schonend!

Und dieses Ziel ist trotz intensiver Anleitung durch geschulte Prophylaxeassistentinnen oder Dentalhygienikerinnen und unter Zuhilfenahme der modernsten Hilfsmittel bei der häuslichen Mundhygiene selbst bei bestem Willen nur für die wenigsten Menschen umsetzbar: Zusätzliche professionelle Hilfe zur Vor- oder Nachsorge von Erkrankungen ist erforderlich!

4. Die gute Nachricht
Diese Erkenntnisse sind nicht neu! Geändert haben sich in den vergangen Jahren allerdings sowohl die Motivation der Bundesbürger als auch die praktischen Möglichkeiten, mit denen „Prophylaxe“ im Alltag des Einzelnen – unabhängig von seinen individuellen Erkrankungsrisiken – umgesetzt werden kann. Verantwortlich für diese Entwicklung sind vor allem das nahezu flächendeckende Angebot gruppen- und individualprophylaktischer Maßnahmen durch entsprechend qualifizierte Mitarbeiter, sowohl in den Einrichtungen für Kinder als auch in den Zahnarztpraxen, sowohl im pädagogischen als auch im fachlichen Bereich. Durch die Gruppenprophylaxe wurde innerhalb einer Generation eine neue soziale Norm eingeführt: „Man putzt sich täglich mindestens einmal die Zähne“! Die Frage nach dem „Warum Prophylaxe?“ stellt sich nicht mehr. Sie ist „bauchtechnisch“ verankert: „Weil es alle tun“ Eine tägliche aktive rationale Motivation („Ich putze, weil…) ist nicht nötig.

Insbesondere die „U30er“ (aber nicht nur sie) haben die Vorteile der Prophylaxe am eigenen Leib erfahren – und registrieren, dass die Folgen zahnärztlicher Prophylaxe deutlich über die Gesunderhaltung der Mundhöhle hinausgehen und ganzheitliche Aspekte wie z.B. Ästhetik, Attraktivität, Selbstsicherheit, Allgemeingesundheit, Lebensfreude und Lebensqualität positiv beeinflussen.

Erfolgreiche Individualprophylaxe baut auf diesem Grundkonsens auf. Sie beantwortet – basierend auf der Diagnose des individuellen Erkrankungsrisikos – die Fragen nach dem „Wie“ und „Womit“ Prophylaxe. Und hier haben sich in den vergangenen 25 Jahren enorme Entwicklungen vollzogen, sowohl was die Qualifikation der Mitarbeiter (Optimierung der Aufstiegsfortbildung), die Strukturen und Organisationen der Praxen (eigene Prophylaxezimmer mit separater Terminvergabe), die Hilfsmittel zur häuslichen Prophylaxe (Zahnbürsten, Zahnpasten…) als auch zur professionellen Prävention (Handinstrumente, Schall- und Ultraschallgeräte, Pulverstrahlgeräte…) betrifft.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen! Bei ca. 90 Prozent aller Personen führt die Prophylaxe zu einer deutlichen Verbesserung der Zahngesundheit und der Lebensqualität – eine Entwicklung, auf die wir durchaus stolz sein können.

5. Ausblick
Kein Grund zur Euphorie! Gleichzeitig formuliert diese Zahl nämlich indirekt die Herausforderung für die Zukunft: Programme/Konzepte/Strategien zu entwickeln, mit denen auch die restlichen 10 Prozent erreicht werden können – bei der aktuellen Geburtenrate immerhin 70.000 Personen pro Jahrgang! Hier gibt es eine Reihe interessanter Ansätze, insbesondere zur Motivation und Remotivation, wie beispielsweise zielgruppengerechte Gesundheits-Apps! Aus einer aktuellen britischen Studie geht hervor, dass 40 Prozent aller 18-24-Jährigen nur 60 Sekunden am Tag die Zähne putzen, dafür aber ganze 90 Minuten pro Tag mit einer Dating-App beschäftigt sind…

Gleichzeitig muss dafür Sorge getragen werden, dass die Generation der jungen Eltern, die die Vorteile der Prophylaxe erfahren hat, das Erreichte nicht als selbstverständlich ansieht und damit das Problembewusstsein für die täglichen Prophylaxe-Routinen nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei den Kindern verliert!

Schließlich muss es gelingen, die Erfolge der Prävention in den ersten Lebensjahrzehnten auch in die höheren Altersgruppe zu transportieren.

Wir sind noch lange nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg!

Der Tag der Zahngesundheit hat seine Berechtigung – auch in der Zukunft!