Statement 11.09.2009
Von Dr. Michael Kleinebrinker
Gesamter Audio Mitschnitt des Statements:
Meine Damen und Herren,
bereits zum 19. Mal richtet der bundesweite Aktionskreis zum Tag der Zahngesundheit, dem neben Zahnärzten, Krankenkassen und dem öffentlichen Gesundheitsdienst viele weitere Organisationen angehören, den Blick auf einen speziellen Aspekt der Mundgesundheit. „Gesund beginnt im Mund - krank sein oftmals auch" lautet das diesjährige Motto.
Während in den ersten Jahren hauptsächlich Familien sowie Kinder und Jugendliche als Zielgruppe angesprochen waren, richtet sich das diesjährige Motto mit seinem interdisziplinären Ansatz an alle Altersgruppen. Keiner wird ausgeschlossen. Wir Krankenkassen begrüßen diesen umfassenden Ansatz ausdrücklich, denn damit wird die Bedeutung der Mundgesundheit noch einmal jedem Einzelnen ins Bewusstsein gerufen.
Bevor ich näher auf den Zusammenhang von Zahnerkrankungen und demallgemeinen Gesundheitszustand eingehe, erlauben Sie mir einen kleinen Exkurs zum zahnmedizinischen GKV-Leistungspaket im Allgemeinen.
Seitens der Krankenkassen wird für die Zahngesundheit viel getan, nicht nur an so einem Tag wie heute. Für eine optimale zahnärztliche Behandlung der Versicherten geben die Krankenkassen jährlich rund 10 Mrd. Euro aus. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein umfassendes Leistungsangebot, das sich für alle Versicherte auf die beiden grundlegenden Gebiete Vorsorge und Therapie verteilt.
Prävention beispielsweise beginnt für uns bereits bei der Betreuung von Schwangeren - erst kürzlich hat der Gemeinsame Bundesausschuss die Aufklärung der Schwangeren über die Bedeutung der Mundgesundheit für Mütter und Kinder explizit in den Mutterpass aufgenommen.
Für Kleinkinder, also die 2 ½- bis 6-Jährigen, übernehmen wir spezielleFrüherkennungsuntersuchungen. Ergänzt wird das dann bei den größeren Kindern und Jugendlichen, den 6- bis 18-Jährigen, um Individualprophylaxe- Leistungen. Darüber hinaus können alle Versicherten in jedem Halbjahr kostenlos eine eingehende Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nehmen, bei der der Zahnarzt mögliche Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten abklärt.
Ergänzt wird das Vorsorgeangebot der Krankenkassen durch die so genannte Gruppenprophylaxe. Hier werden Kinder und Jugendliche in Schulen und Kindergärten altersgerecht gemeinsam über die Verhütung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten aufgeklärt. Sollte mehr als Prophylaxe nötig sein, steht den Versicherten aber auch unter therapeutischem Aspekt ein umfangreiches gesetzliches Leistungsangebot zur Verfügung - sowohl für die Behandlung von Zahn- als auch Mundund Kiefererkrankungen.
Meine Damen und Herren,
dieses umfassende Leistungsangebot der GKV hat ganz sicher dazu beigetragen, dass sich die Mundgesundheit in den letzten Jahren insbesondere bei Kindern und Jugendlichen deutlich verbessert hat. Die epidemiologlischen Begleituntersuchungen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege haben ergeben, dass der Kariesbefall bei den 12-Jährigen von 1994 bis 2005 von 2,4 auf 0,7 erkrankte Zähne gesunken ist. Und auch bei den Senioren zeigt sich eine Verbesserung. So ist die Anzahl der fehlenden Zähne in dieser Personengruppe nach der 4. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV, 2005) von 17,1 im Jahr 1997 auf 14,2 im Jahr 2005 gesunken.
Trotz dieser erfolgreichen Entwicklung gibt es weitere Herausforderungen auf dem Gebiet der Mundgesundheit, denen wir uns gern stellen wollen. Der heutige Tag der Zahngesundheit soll z. B. helfen, das Bewusstsein für die Verbindung von Erkrankungen der Mundhöhle und anderen Erkrankungen zu schärfen.
„Gesund beginnt im Mund - krank sein oftmals auch." Bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich dieser Zusammenhang ganz deutlich bei der Ernährung. Eine ungesunde Ernährung führt nicht nur zu Karies, sondern lässt auch die Adipositas-Rate bei Kindern und Jugendlichen hochschnellen.
Bei Erwachsenen lohnt sich ein Blick auf die Zahnfleischerkrankungen. Hier kann es zu einem Wechselspiel zwischen Allgemeinerkrankungen und Erkrankungen der Mundhöhle kommen. Vertraut man Untersuchungen zur Mundgesundheit in Deutschland (DMS IV, 2005), leiden rund acht Prozent der 35- bis 44-Jährigen und etwa 22 Prozent der 65- bis 74-Jährigen an einer schweren Zahnfleischerkrankung (Parodontitis). Dies ist umso erschreckender, als in den letzten Jahren viel dafür getan wurde, um das Problembewusstsein für Zahnfleischerkrankungen zu verbessern.
So wurden mit Unterstützung der Krankenkassen spezielle Leistungspositionen in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen, welche die Aufdeckung dieser Erkrankungen erleichtern. So können die Zahnärzte seit 2004 alle zwei Jahre einen parodontalen Screening Index erheben. Dabei misst der Zahnarzt mit einer Sonde die Tiefe der Zahnfleischtaschen an bestimmten Zähnen, um einen Überblick über den Gesundheitszustand des Zahnhalteapparates zu bekommen und ggf. frühzeitig Parodontalerkrankungen aufzudecken.
Bezieht man sich auf die jährliche KZBV-Statistik, wird diese Position fast 10 Mio. Mal im Jahr in Deutschland abgerechnet, d. h. die Zahnärzte machen von dieser diagnostischen Position regen Gebrauch. Darüber hinaus wurde eine Leistungsposition für die Gewinnung von Zellmaterial aus der Mundhöhle in den Leistungskatalog eingeführt, um frühzeitig bösartige Schleimhautveränderungen zu erkennen. An diesen Leistungen wird deutlich, dass den Zahnärzten schon heute eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung steht, um die Bevölkerung für das Thema „Zahnfleischerkrankungen" zu sensibilisieren.
Eine notwendige Therapie würden die Versicherten als Sachleistung ganz einfach über ihre Versichertenkarte erhalten ohne zusätzliche Behandlungskosten. Dennoch lässt nur ein kleiner Teil der Menschen die notwendige
Therapie auch durchführen, ein Großteil der Versicherten hingegen nicht. Warum nehmen die Versicherten also diese Leistungen nicht in Anspruch, obwohl diese von der Krankenversicherung kostenfrei zur Verfügung gestellt werden? Wird die Erkrankung nicht bemerkt? Sind die Menschen nur mangelhaft über das Thema Zahnfleischerkrankungen aufgeklärt? Die Verbindung zwischen einer Parodontitis und anderen Erkrankungen verleiht diesen offenen Fragen eine zusätzliche Brisanz. Eine mögliche Erklärung wäre ein ungenügendes Problembewusstsein durch mangelhafte Aufklärung. Anders lässt sich die Diskrepanz zwischen einem hochgerechneten Bedarf und der tatsächlichen Inanspruchnahme für diese Leistungen wohl nicht erklären.
Aus Sicht der Krankenkassen muss daher in erster Linie die medizinische Aufklärung zur Vorsorge von Zahnfleischerkrankungen verbessert werden. Dieser Aufgabe sollten sich alle Beteiligten im Gesundheitswesen gemeinsam stellen und ihre jeweiligen Möglichkeiten nutzen. Der diesjährige Tag der Zahngesundheit kann hierfür ein Anstoß sein. Die besten Ausgangsbedingungen, dabei aktiv zu werden, haben aber nach wie vor die Zahnärzte, denn sie sind es, die im direkten Kontakt zu ihren Patienten stehen und sie somit als erste für eine Vermeidung von Zahnfleischerkrankungen sensibilisieren können. Da aber nur ein gut informierter Zahnarzt sein Wissen weitergeben kann, sollte auch der Aspekt Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht ausgeklammert werden.
Die Zahnärztinnen und Zahnärzte sind jetzt gefordert, ihr enges und vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Patientinnen und Patienten zu nutzen, um die Behandlungsquote bei den schwerwiegenden Zahnfleischerkrankungen zu verbessern, denn die Gesundheit der Versicherten steht im Mittelpunkt. Krankenkassen und öffentlicher Gesundheitsdienst werden das zahnärztliche Engagement gern aktiv unterstützen, wo immer es geht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.