Statement 8. September 2006

Von Dr. Dietmar Oesterreich Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, Präsident der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern

Zentrale Auftaktpressekonferenz 8. September 2006 in Dortmund zum Tag der Zahngesundheit (TdZ) am 25. September 2006 

Motto: „Gesund beginnt im Mund -  Hip-Hop für die Zähne!"

Es gilt das gesprochene Wort.

Mit der heutigen zentralen Auftaktpressekonferenz zum „Tag der Zahngesundheit 2006" lenken Zahnmediziner, Krankenkassen und Kinder- und Jugendärzte den Blick auf eine sehr heterogene und wichtige Zielgruppe: die Jugendlichen.

Wir Zahnärzte haben zwei Ziele für die Entwicklung der Mundgesundheit bei Jugendlichen.

  • Erstens wollen wir die präventiven Erfolge aus dem Kindesalter über die Pubertätsphase in das junge Erwachsenenalter fortführen und eine Verschlechterung der Mundgesundheit verhindern.

Insgesamt verzeichnen wir nämlich großartige Erfolge in der zahnärztlichen Prävention, insbesondere bei den 12-Jährigen in Deutschland: Der Rückgang an Zahnkaries in dieser Altersgruppe in den letzten zehn Jahren um 60 Prozent hat Deutschland in die absolute Spitzengruppe im weltweiten Vergleich aufrücken lassen. Sicherlich eine Vorbildfunktion für das gesamte deutsche Gesundheitswesen. Trotzdem dürfen wir uns nicht auf diesen Erfolgen ausruhen, sondern müssen auf die Herausforderungen eingehen. Gerade bei den Teenagern sind wir längst noch nicht am Ziel unserer Wünsche angekommen.

So belegen die Daten aus epidemiologischen Untersuchungen, dass bei Jugendlichen im Vergleich zur Altersgruppe der Kinder die Zahnzwischenraumkaries und die Zahnfleischentzündungen zunehmen.

Und wie für alle Altersgruppen ebenfalls wiederholt bestätigt, zeigt sich eine deutliche Polarisierung der Karies in sozioökonomischen Risikogruppen. Die Faktoren "beruflicher Status" und "Bildung" beeinflussen die Entwicklung der (Mund)Gesundheit wesentlich, denn das gesundheitliche Verhalten in Familien ist sehr eng mit dem Sozialstatus der Eltern und speziell mit deren schulischen und beruflichen Ausbildungen verknüpft. Eltern mit einem hohen sozialen Status sorgen also in der Regel besser für die Zahngesundheit ihrer Kinder als Eltern mit niedrigem Sozialstatus.

Was können wir tun? In der Pubertät nimmt der Einfluss der Eltern auf die Jugendlichen aber rapide ab - der Jugendliche entscheidet mehr und mehr selbst. Deshalb müssen die Akteure rund um die Mundgesundheit bereits im frühen Kindesalter anfangen, die Eltern über die Mundgesundheit aufzuklären und zu motivieren,  regelmäßig zahnärztliche Leistungen zu beanspruchen. Hier ist eine noch engere Kooperation mit unseren kinderärztlichen Kollegen gefragt.

  • Zweitens wollen wir neben der frühzeitigen Elternarbeit vor allem die Jugendlichen selbst zu einer besseren Mundhygiene motivieren.

Diese Motivation setzt eine intensive Auseinandersetzung mit der Lebensart, dem Risikoverhalten, den Wünschen und Sorgen der Jugendlichen voraus. Die Pubertät ist ein wesentliches Ereignis im Leben eines Menschen, das durch große Umbrüche geprägt ist.

Jugendlichen ist es viel wichtiger, gut auszusehen als gesund zu leben. Schöne Zähne stehen dabei hoch im Kurs. Außerdem beschäftigen Jugendliche in erster Linie die Anerkennung in ihrer Clique und die ersten Kontakte mit dem anderen Geschlecht. Diese und viele andere Aspekte, wie Ernährung, Genuss- und Suchtmittelkonsum aber auch der Migrationshintergrund sowie Bildung und Einkommen der Eltern beeinflussen die präventiv-zahnmedizinische Motivation bei Jugendlichen.

So verändert sich das Ernährungsverhalten - weg von der Ernährungslenkung durch die Eltern hin zum selbst bestimmten Genuss: Es werden häufiger süße Softdrinks, Süßigkeiten, salzige Knabberprodukte wie z. B. Chips, Cracker oder Tacos der zahngesunden Ernährung vorgezogen.

Zugleich nimmt die Einflusskraft der Eltern im Verlauf der Pubertät ab, so dass die Teenies ihre Mundhygiene zum Teil vernachlässigen und auch Alkohol, Zigaretten und Drogen ausprobieren. Das heißt, riskante Lebensstile nehmen zu. Die Folgen sind vermehrte Zahnzwischenraumkaries sowie erosive Zahnhartsubstanzschäden.

Darüber hinaus wissen wir heute auf Grund wissenschaftlicher Untersuchungen sehr viel über die Wechselwirkungen zwischen oralen Erkrankungen und bedeutenden Allgemeinerkrankungen.

Verwiesen sei hier auf den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Zahnkaries, oder auf die Entwicklung eines Diabetes, der wiederum Zahnbetterkrankungen begünstigen kann. In Deutschland leiden derzeit rund 25 000 Kinder an Diabetes. Besonders beachtenswert ist dabei die Zunahme des sogenannten Altesdiabetes (Diabetes Typ II) bereits bei übergewichtigen Kinder und Jugendlichen.

Deswegen steht auch die zahnmedizinische Prävention in einem wesentlich größeren medizinischen Zusammenhang. Dies gilt insbesondere für Jugendliche, Erwachsene und ältere Patienten, so dass präventive Strategien auch im häuslichen Bereich den gesamten Lebensbogen umfassen müssen. Auch bei den Jugendlichen steht die Zahnmedizin also vor Herausforderungen, die das gesamte Spektrum der Zahnmedizin betreffen.

Was können wir tun? Um dieser Entwicklung entgegen zu steuern, ist eine altersgerechte Prophylaxestrategie anzustreben, z. B. durch eine Verstärkung der Individualprophylaxe und der Zahnzwischenraumreinigung. In den Zahnarztpraxen sollte eine entsprechende Aufklärung stattfinden, eventuell im Rahmen einer „Teenagersprechstunde".

Häusliche Präventionsmaßnahmen, wie regelmäßige Zahnpflege, Zahnzwischenraumpflege und Zungenreinigung besitzen einen zentralen Stellenwert.

Liegen allgemeinmedizinische Risiken vor, ist die stärkere Zusammenarbeit mit Haus- und Jugendärzten notwendig.

Wie können wir die Teenager erreichen?

Die Jugendlichen müssen in ihrer Sprache angesprochen und in ihrem Lebensumfeld erreicht werden. Das ist z. B. im Stadtteil, in der Disko, im Club, in der Schule etc. oder aber über entsprechende Medien wie Jugendzeitschriften, TV-Journale sowie das Internet möglich. Die Informationsgeber müssen die Jugendlichen als Partner ernst nehmen, „Zeigefingerpädagogik" kommt nicht an.

So gibt es viele engagierte Aktivitäten im Bundesgebiet, wie zum Beispiel bei der Landesarbeitgemeinschaft für Jugendzahnpflege in Berlin das Peer-Group-Projekt, welches an sozialen Schwerpunktschulen angesiedelt ist und Elternprojekte an Ober-schulen durchführt.

Mit einer entsprechenden Kampagne für Jugendliche will z. B. auch die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e. V. (DAJ), Bonn, Jugendliche zu einer besseren Mundhygiene motivieren.

Mit Anzeigen in Schülerzeitungen, Plakaten, Postkarten, Flyern und einer Webpräsenz startete im März 2006 die Kampagne mit dem zentralen Slogan „Be-küssed!". Das provozierende Motto soll die Jugendlichen ohne erhobenen Zeigefinger dafür begeistern, für sich selbst und ihre Zähne etwas zu tun. „Be-küssed!" erinnert die Teens daran, dass sie in zwischenmenschlichen Situationen „Zähne zeigen" müssen. Gesunde und gepflegte Zähne sind vielmehr „Statussymbol" innerhalb der Clique und Ausdruck von Lebensfreude und Selbstbewusstsein.

Die Jugendlichen finden neben zahlreichen Informationen zur Zahnpflege und Mundhygiene auch Unterhaltung, z. B. Gewinnspiele. Außerdem fordert ein Forum zum Austausch rund um die Themen Zähne, Küssen und Freundschaft auf. Die Kampagne stellt heraus, dass saubere Zähne genauso „hip und in" sind wie schicke Klamotten.

Anrede

Ebenfalls von Relevanz ist die Gesundheitserziehung über eine zukünftig verstärkte Kooperation mit Partnern, um Botschaften verstärkt öffentlichkeitswirksam zu vermitteln. Darunter fallen Ministerien und Kommunen genauso wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Drogenbeauftragte oder Medien.

Wir wollen heute im Rahmen dieser zentralen Pressekonferenz zum Tag der Zahngesundheit 2006 gemeinsam mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte den Auftakt geben für eine stärkere Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der (Mund)Gesundheit bei Jugendlichen.

Das zahnmedizinische Präventionsanliegen ist somit integraler Bestandteil des Themenkanons von Gesundheitsprävention und Gesundheitserziehung. Entsprechend fordern wir an solchen Tagen immer wieder erneut die Berücksichtigung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bei sämtlichen Aktivitäten von Gesundheitspolitik und allen Verantwortlichen.

Abschließend möchte ich im Namen der Bundeszahnärztekammer dem engagierten Praxispersonal, den niedergelassenen Zahnärzten, den Landes- und regionalen Arbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege, den Krankenkassen, den Zahnärzten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und den Lehrern und Erziehern, die seit Jahren "vor Ort" an der Umsetzung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde arbeiten, ein herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit sagen. Ohne die großartige Unterstützung dieser vielen Partner im Bereich Mundgesundheit wären die bisher erreichten Erfolge insbesondere in der Kariesprävention nicht möglich!

Für Rückfragen:

Dr. Sebastian Ziller
Tel.: 030 / 40005-125
s.ziller@remove.this.bzaek.de