Statement 24.09.2003

Von der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen

Pressekonferenz zum „Tag der Zahngesundheit“24.09.2003 in Hamburg

Statement der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen

Bernd Wiethardt
Leitender Verwaltungsdirektor zugleich alternierender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ)

Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen, Kassel, im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen

Es gilt das gesprochene Wort

(Anrede)

Morgen wird zum 13. Mal der Tag der Zahngesundheit durchgeführt. Die Zahl „13“ gilt allgemein als Unglückszahl, im Zusammenhang mit der zahngesundheitlichen Prävention kann die Zahl „13“ aber nur als Glückszahl bezeichnet werden, denn 13-mal wurde bisher in bundesweiten Aktionen auf die Bedeutung der Zahngesundheit hingewiesen. Wer morgen genau hinschaut, wird feststellen, dass bundesweit unzählige Aktivitäten zum Thema „Zahngesundheit“ durchgeführt werden. In Kindergärten und Schulen, in Rathäusern, auf Markplätzen und in sonstigen öffentlichen Einrichtungen sowie in fast allen Zahnarztpraxen in Deutschland wird dieser Tag mit besonderen Aktionen begangen. Der Tag der Zahngesundheit ist ein Baustein für das Gebäude „Erfolge der zahngesundheitlichen Prävention“. Er ist sehr erfolgreich und auch wirksam und deshalb beteiligen sich die gesetzlichen Krankenkassen an seiner Durchführung. Mit einer gewissen Portion von Stolz darf ich auf die besonderen Erfolge bei den Bemühungen um mehr Zahngesundheit hinweisen. Seit 1989 ist die Zahl der durch Karies zerstörten Zähne bei 12-Jährigen im Durchschnitt von 4,2 auf 1,2 gesunken. Diese Erfolgsbilanz ist für das Gebiet der Prävention einzigartig. Dazu haben neben den niedergelassenen Zahnärzten und den Zahnärzten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, den Prophylaxe-Helferinnen und den Erziehungspersonen in den Kindergärten und Schulen auch die gesetzlichen Krankenkassen beigetragen. Letztgenannte bemühen sich um eine zahnprophylaktische Betreuung vom Beginn des Lebens bis zu dessen Ende. Dabei setzt die Prävention schon vor der Geburt eines Versicherten ein, indem bereits eine Schwangere im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge eine Aufklärung über die Bedeutung der Mundgesundheit für Mutter und Kind erhält. Das setzt sich im Rahmen der Kinderfrüherkennungs-Untersuchungen beim Kinderarzt fort, wo ebenfalls Hinweise zur Mundgesundheit und Mundhygiene gegeben werden und ggf. eine erste Fluoridgabe erfolgt. Vom 30. Lebensmonat an kann dann die regelmäßige individuelle Vorsorge in den Zahnarztpraxen in Form von zahnärztlichen Früherkennungs-Untersuchungen der Kinder beginnen. Ab dem Zeitpunkt des Kindergartenbesuchs wird die Mundgesundheitsvorsorge durch die Gruppenprophylaxe verstärkt, die dann auch während der Schulzeit bis zum 12. Lebensjahr fortgesetzt wird. Für Kinder und Jugendliche mit hohem Kariesrisiko wird diese Form der Betreuung sogar bis zum 16. Lebensjahr durchgeführt. Bei der Gruppenprophylaxe handelt es sich um eine äußerst effiziente Maßnahme, da in Kindergärten und Schulen alle dort anwesenden Kinder betreut werden. Bei dieser aufsuchenden Betreuungsform braucht man sich keine Gedanken darüber zu machen, wie man an die Kinder herankommt, und wie man sie zu einem Untersuchungstermin bewegen kann. Dieser Umstand kommt vor allen Dingen den Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen entgegen, die anders wohl schwerlich zur Untersuchung und zur Teilnahme an Zahnputzübungen und Beratungen über richtige Ernährung bewegt werden könnten. Sie, die wegen ihres hohen Kariesrisikos gemeinhin als „Problemkinder“ bezeichnet werden, lassen sich durch die Gruppendynamik mitreißen und in dieser Atmosphäre bestehen auch gute Chancen, sie bei vorhandenem Sanierungsbedarf zum Besuch in der Zahnarztpraxis zu bewegen. Ergänzt werden die Maßnahmen der Gruppenprophylaxe durch Maßnahmen der Individualprophylaxe in zahnärztlichen Praxen für Versicherte bis zum 18. Lebensjahr. Neben den aufgezeigten Prophylaxebemühungen bei den 3- bis 18-Jährigen zahlen die gesetzlichen Krankenkassen aber auch weitere Prophylaxemaßnahmen im Bereich der Zahngesundheit. Sucht z. B. eine Mutter den Zahnarzt mit ihrem Kleinkind vor dem 30. Lebensmonat auf, so erhält sie eine Beratung und falls nötig, auch eine Behandlung ihres kleinen Kindes. Darüber hinaus kann jeder über 18-jährige Versicherte bis an sein Lebensende zahnärztliche Leistungen im Prophylaxebereich in Anspruch nehmen, z. B. eine Untersuchung und Beratung als Voraussetzung für den Eintrag ins Bonusheft - alle diese Leistungen zahlt seine Krankenkasse. Die von mir erwähnten Maßnahmen habe ich in einer Anlage in der Ihnen vorliegenden Pressemappe tabellarisch nach Altersgruppen und Durchführungsorten aufgelistet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch auf das finanzielle Engagement der gesetzlichen Krankenkassen für die zahngesundheitliche Prävention hinweisen. Als weitere Anlage enthält die Pressemappe eine Aufstellung der erwähnten Ausgaben für die Gruppen- und Individualprophylaxe sowie die Fissurenversiegelung in den Jahren 1995 bis 2002. Daraus ist ersichtlich, dass Jahr für Jahr die Gesamtaufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr kontinuierlich steigen - und das bei sinkender Kinderzahl. Für den erwähnten Personenkreis haben sie im Jahre 2002 über 420 Mio. Euro ausgegeben. Ich glaube, dieses finanzielle Engagement verdient besondere Anerkennung. Neben den Aufwendungen für diesen klassischen Präventionsbereich haben die gesetzlichen Krankenkassen aber auch für den besonderen Präventionsbereich „Kieferorthopädie“ im Jahre 2002 einen Betrag von 2,2 Mrd. Euro aufgewandt. Damit konnte in sehr vielen Fällen das Ziel der Kieferorthopäden verwirklicht werden, Fehlentwicklungen des Kauorgans entweder zu verhindern oder - falls erforderlich - auch zu behandeln. Die gesetzlichen Krankenkassen wissen, dass eng und schief stehende Zähne nicht nur die Ästhetik beeinträchtigen, sondern durch Erschwerung der Zahnreinigung auch die Kariesgefahr erhöhen. Ein gestörter Zusammenbiss beeinträchtigt die Kaufunktion. Eine falsche Lage der Kiefer und eine falsche Zahnstellung kann zu einer schmerzhaften Verspannung der Gesichts- und Kaumuskulatur oder des Nackens führen. Kurzum - es gibt viele Gründe für eine rechtzeitige Kfo-Behandlung zur Vorbeugung von weiteren gesundheitlichen Schäden. Einzelheiten aus zahnmedizinischer Sicht wird Ihnen Frau Prof. Kahl-Nieke näher bringen. Das Ziel der Kieferorthopäden drückt auch das Motto des diesjährigen Tages der Zahngesundheit aus:

„Zähne sind ein Team - sie gehören zusammen“

Dieses Ziel zu erreichen ist ein Anliegen auch der gesetzlichen Krankenkassen, und wie bereits ausgeführt, tun sie eine Menge dafür, genauer gesagt, die Kieferorthopäden tun dies und die Krankenkassen bezahlen deren Leistungen.

Aus meinen Ausführungen konnte man entnehmen, dass die Krankenkassen sehr viel für die klassische Prävention und für die Prävention durch Kieferorthopädie tun. Leider werden sie in vielerlei Hinsicht bei diesen Prophylaxebemühungen von der Politik im Stich gelassen. So fordern sie seit 14 Jahren eine Beteiligung der Privaten Krankenversicherung an den Kosten der Gruppenprophylaxe mit dem Hinweis, dass ca. 10 v. H. der gruppenprophylaktisch versorgten Kinder in Kindergärten und Schulen privat versichert sind. Sie empfinden es als nicht sachgerecht, wenn 90 % gesetzlich versicherte Kinder die privat versicherten Kinder in diesem Bereich mitfinanzieren. In Gesprächen mit Politikern einschließlich der Minister auf Bundes- und Landesebene wird Abhilfe zugesagt - passiert ist bis heute jedoch nichts. Auch der aktuelle Entwurf zum Gesundheitsmodernisierungsgesetz bringt keine Lösung. Ein zweites Defizit der Politik stellen wir bei der Speisesalzfluoridierung fest. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen uns, dass die Speisesalzfluoridierung dann besonders wirksam ist, wenn sie auch in der Gemeinschaftsverpflegung angewandt wird. Seit Jahren fordern die gesetzlichen Krankenkassen deshalb die Verwendung von fluoridiertem Speisesalz in der Gemeinschaftsverpflegung. Und in den zuständigen Ministerien wird geprüft und geprüft über Jahre, inzwischen sogar über ein Jahrzehnt, - geschehen ist bisher aber nichts. Dann tut man schließlich das, was man in solcher Situation sehr oft als Ausweg sieht, man initiiert ein „Pilotprojekt“. Dieses „Pilotprojekt“ wurde über Jahre in Heidelberg durchgeführt mit dem Ergebnis, dass wir nun bestätigt erhalten haben, was wir schon lange wissen: Die Verwendung von fluoridiertem Speisesalz ist hinsichtlich von Nebenwirkungen unbedenklich und zugleich äußerst effektiv. Anstatt die Verwendung in der Gemeinschaftsverpflegung nun freizugeben, hat man jahrelang gezögert, bis es nunmehr nach EU-Recht nicht mehr möglich ist, eine nationale Regelung zu treffen. Nach einem Richtlinienentwurf der EU-Kommission soll die Anreicherung einer Vielzahl von Lebensmitteln mit Fluorid möglich sein. Ein Weg, den wir alle nicht wollen, weil die Menge des auf diese Weise aufgenommenen Fluorids kaum messbar ist. Außerdem mahlen die Mühlen der EU-Kommission sehr langsam, sodass die Einführung dieser Vorschrift noch Jahre, vielleicht sogar noch Jahrzehnte, auf sich warten lassen kann.

Dies sind nur zwei Beispiele die zeigen, wie die Politik vor lauter Reformeifer kleine, kostengünstige aber wirksame Verbesserungen auf dem Gebiet der Prophylaxe unterlässt. Trotz mangelnder Unterstützung der Politik lassen sich die gesetzlichen Krankenkassen aber nicht in ihrem Weg beirren, die Prävention zu forcieren, denn für sie gelten nach wir vor die Grundsätze: „Prävention tut Not“ und „Vorbeugen ist besser als Heilen“