Pressekonferenz zum Tag der Zahngesundheit am 17.09.2010

Statement Dr. Michael Kleinebrinker 2010

Gesamter Audio Mitschnitt des Statements:

Statement von Dr. Michael Kleinebrinker, Referent für die vertragszahnärztliche Versorgung beim GKV-Spitzenverband

ES GILT DAS GESPROCHENE WORT

Meine Damen und Herren,

bereits zum 20. Mal findet in diesem Jahr der Tag der Zahngesundheit statt, an dem Zahnärzte, öffentlicher Gesundheitsdienst und Krankenkassen das Interesses auf die Mundgesundheit richten. Das diesjährige Motto lautet „Gesund beginnt im Mund - Lachen ist gesund". Wer hätte im Jahr 1991 beim ersten Tag der Zahngesundheit gedacht, dass die Mundgesundheit einen festen Platz im Jahreskalender einnimmt? Allein diese Tatsache würde ausreichen, sich zu freuen und zu lachen. Die Krankenkassen und vor allen Dingen ihre Versicherten haben jedoch noch sehr viel mehr Gründe.

Ein breites, zufriedenes Lachen stellt sich ein, wenn man zum Beispiel auf die in den letzen 20 Jahren deutlich verbesserte Mundgesundheit - vor allem bei Kindern und Jugendlichen - schaut. So hat die neueste DAJ-Studie ergeben, dass sich Zwölfjährige 1994 noch mit  2,44 erkrankten Zähnen plagen mussten, heute dagegen nur noch 0,72 erkrankte Zähne in ihren Mündern haben. Zu dieser positiven Entwicklung haben insbesondere die in der Gruppen- und in der Individualprophylaxe durchgeführten lokalen Fluoridierungen beigetragen, aber auch die Tatsache, dass immer mehr Menschen fluoridhaltige Zahnpasta benutzen, dass die großen Backenzähne fissurenversiegelt werden sowie ein generell stärkeres Bewusstsein der Bevölkerung für die Mundgesundheit.

Bei entsprechender Indikation hat heutzutage jedes Kind einen Anspruch auf eine kieferorthopädische Behandlung. Die weitgehende Konstanz der Abrechnungsfälle in diesem Leistungsbereich in der vergangenen Dekade bestätigt, dass dieses Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung von den Versicherten genutzt wird. In vielen anderen Ländern müssen kieferorthopädische Leistungen dagegen privat gezahlt werden und stehen somit längst nicht jedem zur Verfügung - wie sich dann beim Lachen zeigt.

Neben Kindern und Jugendlichen profitieren auch die anderen Bevölkerungsgruppen von der generell verbesserten Mundgesundheit. Ein Beleg dafür ist die in den letzten Jahren deutlich gesunkene Anzahl an gelegten Füllungen und an Zahnextraktionen. Auch zahnlose Menschen werden immer seltener. Insgesamt muss die zahnmedizinische Entwicklung in Deutschland daher positiv gesehen werden, sodass wir alle einen Grund haben einmal herzhaft zu lachen. Der Tag der Zahngesundheit hat ganz sicher zu dieser Erfolgsgeschichte beigetragen.

Erfreulich aus Sicht der Krankenkassen ist auch die finanzielle Seite: Dies alles konnte ohne starke Ausgabensteigerungen erreicht werden. Für die zahnärztliche Behandlung ihrer Versicherten haben die Krankenkassen in den letzten 13 Jahren konstant ca. 11 Mrd. Euro jährlich zur Verfügung gestellt, wobei sich der Anteil für Prophylaxe-Leistungen kontinuierlich erhöht hat. Ein Blick in den Mund unserer Bevölkerung zeigt, diese Ausgaben sind gut angelegt.

Meine Damen und Herren, diese Erfolge sollten jedoch kein Anlasse sein, sich auszuruhen. Denn die eine oder andere Herausforderung liegt noch vor uns. Nach wie vor haben wir in Deutschland eine große Anzahl von Kindern mit Milchzahnkaries. Diese Quote zu reduzieren, ist wichtig. Auch wenn es in den letzten Jahren bei den Sechs- bis Siebenjährigen zu einem Rückgang der Karies gekommen ist, hat diese Gruppe immer noch 1,87 erkrankte Zähne im Mund und weist damit deutlich höhere Werte als die Gruppe der Zwölfjährigen auf, wie die neueste DAJ-Studie zeigt. Insbesondere die Nuckelflaschenkaries führt zu diesem recht hohen Wert. Insgesamt haben nur 53,9  Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen ein kariesfreies Gebiss. Als Zielwert für das Jahr 2020 streben wir dagegen einen Wert von 80 Prozent an. Um das zu erreichen, müssen wir vor allem bei Eltern und Bezugspersonen von Kleinkindern und Kindergartenkindern verstärkt über Karies aufklären und über ihre Vermeidung informieren.

Bei den Erwachsenen müssen wir unser Augenmerk dagegen auf die stark verbreiteten Zahnfleischerkrankungen richten, die häufig unbemerkt ablaufen. So hat die 4. Mundgesundheitsstudie (DMS IV 2005) ergeben, dass ca. 22 Prozent der 65- bis 74-Jährigen an einer schweren Parodontitis leiden. Diese Beispiele zeigen  exemplarisch, dass leider nicht nur Anlass zum Lachen besteht.

Aber lassen Sie mich auch noch auf einen anderen Aspekt, der häufig mit dem Be-griff „Lachen" in Verbindung gebracht wird, eingehen. In unserer Gesellschaft werden Ästhetik und Perfektion - auch der Zähne - vermeintlich immer wichtiger. Insbesondere der Zahnfarbe und der Zahnstellung kommt eine hohe Bedeutung für das eigene Selbstwertgefühl zu.

Wie oben gezeigt, haben die Menschen heute deutlich bessere Zähne als noch vor 20 Jahren. Dennoch sind viele Menschen mit ihren Zähnen unzufrieden. Schuld da-ran hat sicherlich auch der zunehmende Trend in unserer Gesellschaft, vermeintlich nur durch Perfektion im Leben erfolgreich zu sein. Die Werbung trägt das ihre dazu bei, diesen Trend zu befördern. Für die Zähne bedeutet dies, dass ebenmäßig stehende und vor allen Dingen weiße Zähne dem idealen Schönheitsbild entsprechen. Nur mit solchen Zähnen lässt es sich unbeschwert lachen. Abweichungen von der Norm werden dabei als Makel angesehen. Interessengruppen vermitteln  den Eindruck, dass dieses Ziel mit den heute zur Verfügung stehenden modernen Techniken für jeden erreichbar ist. Dieser Trend ist aus Sicht der Krankenkassen bedenklich und sollte kritisch hinterfragt werden. Denn häufig verschwimmt die Grenze zwischen einer medizinisch notwendigen Behandlung und einer ästhetisch-kosmetischen Wunschleistung. Zahnärztinnen und Zahnärzte sind gefordert, diese Grenzen zu erkennen und zum Wohle ihrer Patienten zu beachten, damit diese auch weiterhin Grund zum Lachen haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.